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Galina Ustvolskayas

Ustvolskaya: Suites & Poems

Galina Ustvolskayas avantgardistisches Potenzial kommt in dieser Sammlung vornehmlich älterer Einspielungen von Werken mit Orchester nicht rundum erfolgreich zur Geltung.

Wichtige spannende Information zu der vorliegenden Doppel-CD (Gesamtdauer rund 81 Minuten) findet sich im Impressum: Produzent war kein Geringerer als der Pianist Alexei Lubimov. Fast alle Tonaufnahmen stammen aus den Jahren 1954–1962, und die Klangqualität ist teilweise bedauerlich. Der dokumentarische Wert der Einspielungen ist aber nicht zu unterschätzen. Drei hier zu hörende Werke von Galina Ustvolskaya, die nur als Klavierkomponistin auf dem Tonträgermarkt repräsentativ vertreten ist, die 'Young Pioneers‘ Suite' (1953), die 'Sports‘ Suite' (1959) und die Tondichtung 'Lights in the Steppe' (1959) werden durch die Leningrader Philharmoniker unter dem heute vergessenen Arvids Jansons (Vater von Mariss Jansons) zu Gehör gebracht; die 'Children‘s Suite' (1955) leitet Evgeny Mravinsky.

Farbenreich und kraftvoll

Bei den drei Suiten hat man vornehmlich den Eindruck gefälliger, clever gemachter sowjetischer Repräsentationsmusik (obwohl sie von den Machthabern musikalisch als zu eigenständig angesehen wurde), was vor allem an der deplorablen Tontechnik liegen mag – viele Finessen der Partituren kommen nicht in vollem Umfang zur Geltung (die gerade bei Mravinsky im Grunde deutlich wahrnehmbar existent sind). Musikalisch ambitionierter sind die beiden Tondichtungen 'Lights in the Steppe' und 'Hero‘s Exploits' (1957 – hier dargeboten durch das Jugendsinfonieorchester des Leningrader Rundfunks unter Igor Borisoglebsky) – hier haben wir eine Komponistin, die sich handwerklich keineswegs verstecken muss und die kraftvolle, farbenreiche und harmonisch starke Beiträge liefert. Leider ist in der Doppel-CD nicht auch die Tondichtung (mit Bass-Solo) 'The Dream of Stepan Razin' (1949) enthalten, eine ihrer damals erfolgreichsten Kompositionen. Leider ist die Darbietung von 'Hero‘s Exploits' interpretatorisch nicht auf einem Niveau mit jenen Einspielungen der Leningrader Philharmoniker – das Orchesterniveau ist deutlich ‚provinzieller‘ und das Gesamtergebnis so nicht rundum überzeugend.

Die Produktion wird geschlossen mit dem 'Poem on Peace' (1961, Text Sergey Davidov) für Klavier, Ensemble und Kinderchor – einem Werk, dessen Uraufführung in einem Konzert mit Prokofievs Ouvertüre op. 42, Milhauds 'La création du monde' und Stravinskys 'Geschichte vom Soldaten' stattfand. In der vorliegenden Einspielung von 2016 mit dem Pianisten Mikhail Turpanov, dem Ensemble-in-Residence am Studio für Neue Musik des Tschaikovsky-Konservatoriums Moskau und dem Knabenchor Moskau unter Vladislav Lavrik hören wir – nun in moderner Tontechnik – Ustvolskayas vollen Einfallsreichtum, ihre harmonischen Zuspitzungen, die Samuel Barber zu der Aussage brachten: ‚Wenn das Frieden sein soll, bevorzuge ich den Krieg.‘ Die Komposition ist von bezwingender Dichte, ist deutlich avantgardistischer als etwa Brittens 'Children‘s Crusade', ließe sich aber außerordentlich vorteilhaft mit jenem Werk im Konzert koppeln.

Jürgen Schaarwächter, 04.02.2020