Resoluter Impressionismus
Auf ihrer neuen CD mit Violinsonaten französischer Komponisten präsentieren Klára Würtz und Kristóf Baráti drei wenig ausschweifende, aber doch unverwechselbare Interpretationen.
Es klingt beinah wie in einem Märchen, wenn die beiden ungarischen Musiker Klára Würtz und Kristóf Baráti davon erzählen, wie sie als Duopartner zueinander gefunden haben. Die Pianistin Klára Würtz sollte in einem Konzert gemeinsam mit einem anderen Geiger die 'Frühlingssonate' spielen, dieser war jedoch noch zwanzig Minuten vor seinem Auftritt unauffindbar. In ihrer Verzweiflung fragte Würtz halb im Scherz, ob nicht ein anderer Violinist anwesend sei, und siehe da: Zufällig war Kristóf Baráti im Publikum, hatte sein Instrument dabei und war auch noch bereit, sich auf dieses wagemutige und ungeprobte Ereignis einzulassen. Seither treten die beiden Musiker oft gemeinsam auf und haben schon viele Violinsonaten eingespielt. Ihre neueste CD steht ganz im Zeichen des französischen Impressionismus: Auf dem 2020 bei Brilliant Classics erschienenen Tonträger 'French Violin Sonatas' ist das Duo mit Werken von Claude Debussy, Maurice Ravel und César Franck zu hören.
Ungewöhnliche Interpretationsansätze
Baráti, der teilweise in Venezuela aufgewachsen ist, hat einen ziemlich individuellen Zugriff und lässt seine Stradivari in einer für ihn charakteristischen Tonsprache erklingen: Am besten kann sein Spiel als energetisch, zupackend, spannungsgeladen und hochvirtuos beschrieben werden. Klára Würtz hingegen hat eine besondere Vorliebe für Schubert und Mozart, sie zeichnet sich durch klares, gesangliches Phrasieren und die Fähigkeit aus, auch mit Schlichtheit viel Ausdruck in ihr Spiel zu legen. Die beiden Musiker mit ihren unterschiedlichen Herangehensweisen hätten ohne Zufall vielleicht nie zusammen gespielt. Diese Allianz bringt manchmal sehr ungewöhnliche, nie gehörte Interpretationsansätze hervor, auf dieser CD macht sich jedoch besonders bei den filigranen Nuancen des Impressionismus an manchen Stellen bemerkbar, dass die beiden Musiker manchmal verschieden denken.
Relativ ‚unfranzösisch‘ klingt beispielsweise die Interpretation des Duos von Debussys Violinsonate in g- Moll. Die Komposition für sich gleicht mit ihrer Fülle an Klangfarben und Stimmungen bereits einem schillernden, im Licht changierenden Seidenstoff. Man würde sich beim Hören der eingespielten Version allerdings manchmal wünschen, dass besonders der Violinist ein wenig differenzierter auf die einzelnen Schattierungen eingeht. Obwohl stets klangschön und technisch makellos gespielt, scheint sich der Ungar mit dem hauchzart-ätherischen Klangbild, das man von Debussy-Interpretationen anderer Musiker gewohnt ist, nicht recht anfreunden zu können. Den lebhaften und entschlossenen Passagen hingegen, etwa im dritten Satz 'Finale, très animé', verleiht er dagegen mit seinem typischen temperamentvollen Vibrato und geigerischer Dezidiertheit eine ganz eigene Intensität. Demgegenüber tritt besonders das kammermusikalische Einfühlungsvermögen von Klára Würtz in den Vordergrund. Neben der relativ resolut gespielten Geigenpartie wirkt es bisweilen, als würde die Pianistin die Unterschiede der Charakterfacetten gern maximieren, zwangsläufig passt sie sich aber ihrem Spielpartner an und lässt sich manchmal in eine Begleitrolle zurückdrängen.
Bei Maurice Ravels zweiter Violinsonate in G- Dur konstruieren die beiden Musiker eine vollkommen andere Klangwelt. Bereits bei der einstimmigen Kantilene des Klaviers zu Beginn des ersten Satzes zieht Würtz den Hörer eindringlich in ihren Bann. Wundervoll harmonisch ergänzen sich ihre transparent und absolut klar hervorgehobenen Melodielinien und Baráti intensive Tongestaltung und sein sprühender Sarkasmus im Folgenden. Ganz besonders hörenswert ist der berühmte zweite Satz 'Blues. Moderato'. Witzig, ironisch, leidenschaftlich, frech und doch ernsthaft spielt das Duo mit den Jazz-Elementen, couragiert kosten sie Glissandi, harmoniefremde Blue Notes, Repetitionen, perkussive Patterns und die jammernd-lieblichen Motive aus, ohne je die Grenze des guten Geschmacks zu überschreiten. Auch mit dem furiosen und rasant-virtuosen 'Perpetuum mobile' am Schluss der Sonate können beide jeweils einzeln und als Duo glänzen.
Aparte Ideen
Kaum eine romantische Violinsonate ist wohl so berühmt wie Francks Sonate in A-Dur. Wie schon bei den beiden anderen Werken auf dem Tonträger hat das ungarische Ensemble teilweise sehr aparte Ideen. Besonders ansprechend ist beispielsweise, das die Pianistin nicht wie viele ihrer Kollegen der Versuchung erliegt, Passagen durch zu viel Pedal zu ‚verwaschen‘. Andererseits bleibt in manchen ihrer Zwischenspiele jedoch der Wunsch offen, sie würde die Rubati und die Harmoniewechsel ein wenig mehr ausspielen, da sie auch an Extrempunkten stets gesammelt wirkt. Das Klavier hat bei dem viersätzigen Werk eine gewichtige Aufgabe und ist nicht selten mehr im Fokus als die Violine. Gemeinsam interpretieren Würtz und Baráti die Sonate mit kühner Bestimmtheit, resoluter Direktheit und wenig Pathos. Es hat fast den Anschein, als hätten sich die beiden Künstler im Laufe der CD immer mehr aufeinander abgestimmt und sich in der Mitte getroffen.
Klára Würtz und Kristóf Baráti sind zwei exzellente Instrumentalisten und ein unverwechselbares und absolut hörenswertes Duo, allerdings gibt es sicherlich Literatur, bei der die Stärken der Beiden besser zur Geltung kommen.
Susanna Morper, 21.04.2020